Objekt des Monats September
Monistenbund Signets


Durch Wilhelm Ostwalds Zeit als Vorsitzender des Deutschen Monistenbundes von 1911 bis 1915 sind verschiedene Devotionalien in der Sammlung des Wilhelm Ostwald Parks überliefert. Es finden sich eine Krawattenbrosche, drei Anstecknadeln und ein besticktes Tischfähnchen. Die Objekte tragen allesamt das Symbol des Deutschen Monistenbundes, bestehend aus einer Flamme vor dem Hintergrund des Sternenhimmels, umgeben von einem hexagonalen Rahmen. Die Monistenflamme lodert als „allgemeines Symbol der neuen, wissenschaftlichen Weltanschauung“ zum Himmel. Eingeführt wurde das Symbol im Zusammenhang mit dem ersten internationalen Monistenkongress im September 1911 in Hamburg. Auch wenn der Bericht einer Zeitung über 40 000 Besucher sich um eine Größenordnung vertan haben dürfte, zog die Veranstaltung Tausende Besucher an, die sich für wissenschaftliche Vorträge begeisterten und euphorisiert den Aufbruch in ein neues Zeitalter herbeisehnten. Aus dem Kreis der Hamburger Ortsgruppe wurde das Symbol zunächst als Zeichen für den Kongress ersonnen und wurde fürderhin als das Symbol des Bundes genutzt. So prangt es zum Beispiel auf dem Titelblatt des ab April 1912 von Wilhelm Ostwald herausgegebenen Monistischen Jahrhunderts, der Bundesschrift des Monistenbundes. Aus der Zeit vor der Übernahme Ostwalds ist kein allgemeines Symbol des Bundes bekannt.
Bei den Anstecknadeln dürfte es sich um Kongressabzeichen handeln, von denen 800 Stück im Wert von 80 Mark der Hamburger Ortsgruppe für den Kongress 1911 gestiftet wurden, oder um allgemeine Mitgliedsabzeichen der Familie Ostwald. Die Krawattenbrosche ist als Accessoire Ostwalds auf historischen Fotos dokumentiert. Das Tischfähnchen wurde laut der Familienüberlieferung von der Tochter Ostwalds, Elsbeth, gestickt.
Zwischen 1911 und 1915 war Ostwald als Vorsitzender die prägende Gestalt des Monistenbundes und verschaffte der Vereinigung eine Öffentlichkeitswirksamkeit, die in keinem Verhältnis zur Mitgliederzahl stand, die im Höchststand zirka 6000 Mitglieder betrug. Zwar war schon unter dem Vorsitz des Gründers Ernst Haeckel der Monistenbund in öffentliche Kontroversen verwickelt, zum Beispiel bezüglich der angeblichen Wunderheilungen in Lourdes, aber erst mit Ostwald entwickelte sich der Monistenbund zu einer nicht leicht zu ignorierenden politischen Pressure Group. Der Monistenbund propagierte eine wissenschaftliche Weltanschauung, die er dezidiert als Ersatz für die aus der Zeit gefallenen Religionen verstand, und die laut Ostwald „die innere Ehrlichkeit und das daraus entspringende innere Glück“ zum Ziel hatte. Die Fortschritte der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert. hatten eine Lücke aufgerissen, die die Religion und klassische Philosophie nicht mehr füllen konnte, im Gegenteil, die Prämissen der traditionellen ideologischen Welt-Erklärungsschemata mussten jedem naturwissenschaftlich Gebildeten als evident falsch erscheinen. In diese Lücke stieß der Monistenbund, indem er seinen Mitgliedern eine einheitliche, das heißt monistische, Weltanschauung und ein kommendes goldenes Zeitalter der Kulturentwicklung auf gesicherter wissenschaftlicher Basis versprach. In der Folge warb der Monistenbund für den Kirchenaustritt, die Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts, Schulreform, Rechtsreform, Bodenreform, Sexualreform, Mutterschutz und die Friedensbewegung.
Maße:
Tischfähnchen: 42 × 32 × 13 cm
Krawattenbrosche: 3,5 × 3 × 0,5 cm
Anstecknadeln: 7 × 2 × 0,5 cm
Literatur:
Wilhelm Blossfeldt: Der erste Internationale Monistenkongress in Hamburg, Kröner, Leipzig, 1912.
Martin Klimpel: Energie, Wissenschaft und Religion – Naturwissenschaft als Religionsersatz bei Wilhelm Ostwald, Tectum, Baden-Baden, 2025.